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Rezension

Gerhard Lehrberger, Ralf Schunk & Tanja ten Voorde
mit einem Beitrag von Silvia Beer, Kurosch Thuro, Sonja Marek & Jochen Wolf

Kulturgeologie und Geschichte des Flossenbürger Granits.
Das Höchste und das Tiefste – modern und altbewährt


327 S., Übersetzung: Jaromír Tvrdý
Herausgeber: Gemeinde Flossenbürg (in Kooperation mit dem GEOPARK Bayern-Böhmen)
Verlag: Bodner Verlag, Pressath
ISBN 978-3-947247-82-0
Preis: 29,00 € (bestellbar über den Buchhandel oder direkt bei der Buchhandlung Bodner in Pressath).


Ferdinand Heinz (Dresden)
18. Juni 2023


Kulturgeologie und Geschichte des Flossenbürger Granits.
Das Höchste und das Tiefste – modern und altbewährt


Mit dem Buch Kulturgeologie und Geschichte des Flossenbürger Granits legen die Autoren in zweisprachiger Ausführung (deutsch/tschechisch) ein Werk vor, das sich einem einzigen, jedoch sehr bekannten Naturstein widmet. Die auf 327 Seiten dargestellten Ergebnisse beeindrucken durch ihre inhaltliche Tiefe und textliche sowie bildhafte Vielseitigkeit. Der weitaus überwiegende Teil der Beiträge stammt von Gerhard Lehrberger, der auch die Koordination des Bandes übernommen hat. Das Buch entstand als Teilprojekt bayerischer und tschechischer Partner im Projekt „ETZ 307 Granit & Wasser“ im Rahmen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen dem Freistaat Bayern und der Tschechischen Republik.

Wer hätte es vermutet? Seit eintausend Jahren nutzen die Menschen dieses Granitvorkommen – über einen langen Zeitraum durch die handwerkliche Aufarbeitung zahlloser Sturzblöcke in der Landschaft, später durch angelegte Steinbrüche. Ausführlich werden in diesem Werk die Abbauorte, die Arbeit in den Steinbrüchen und die damit befassten Firmen dargestellt. Zahlreiche historische und aktuelle Fotos, Schriftdokumente und Planunterlagen ergänzen die Kapitel über die Arbeits- und Geschäftswelt des Flossenbürger Granits.

Das Buch beginnt mit einer Einstimmung zur Landschaft und historischen Bezugnahmen auf zwei namhafte Geognosten. Als Leitgedanke, bereits im Buchtitel aufgenommen, dient ein Zitat von Johann Wolfgang von Goethe, womit dieser eine frühe Vorstellung vom Begriff „Grundgebirge“ ansatzweise skizzierte, indem er den Granit mit dem Postulat „das Höchste und das Tiefste“ in den damaligen Diskurs um die Erdgeschichte einbrachte. Obwohl Flossenbürg auf keinen Besuch von Goethe verweisen kann, haben seine Reisen in die Gebirge der Umgebung der nahen böhmischen Kurorte Franzensbad und Marienbad sowie ins granitreiche Fichtelgebirge trotzdem einen tiefen Eindruck vom bayerisch-böhmischen Waldgebirge hinterlassen. Carl Wilhelm von Gümbel, wohl ein Doyen der bayerischen Geologie, kam diesem „Waldgranit“ im wahrsten Sinne des Wortes bedeutend näher. Treffend formulierte er 1868: „[...] an der weitläufigen Ruine des Schlosses Flossenbürg [...] liegen [...] Bänke hundertfach übereinander und wölben sich deutlich nach den verschiedenen Gehängen [...].“

Dieser historischen Einführung folgt eine umfangreiche und für den interessierten Laien verständliche Darstellungen erdgeschichtlicher Vorbedingungen, die zur Bildung des Granits und des spektakulären zwiebelschaligen Aufbau der Granitkuppen führten. Dann wird auch auf die wesentlichen Aspekte gesteinskundlicher, mineralogischer und gesteinsphysikalischer Merkmale eingegangen. Fünf Abbildungen führen die Leser auf die wesentlichen Granitvarietäten nach Farbe und Kristallgefüge hin. Ergänzt werden diese Illustrationen im mineralogischen Abschnitt mit beeindruckenden Makroaufnahmen von Kristallstufen aus den Steinbrüchen des Flossenbürger Granits.

In einem ausführlichen Kapitel beschreibt Ralf Schunk die Geschichte der Steinbrucharbeiter, Steinmetzen und die Verwendung dieses Gesteins. Diesen Betrachtungen folgt ein Abschnitt über die sowohl beschwerlichen als auch einfallsreichen Techniken für den Transport große Lasten.

Tanja ten Voorde und Gerhard Lehrberger geben den Lesern eine ausführliche Beschreibung von der Granitgewinnung. Im Rahmen der Masterarbeit von Tanja ten Voorde bei Dr. Gerhard Lehrberger an der Technischen Universität München konnten 38 Abbaustellen im Massiv des Flossenbürger Granits identifiziert werden. Ihre Betrachtungen beginnen bei den frühen Techniken, mit denen Findlingsblöcke im Umfeld anstehender Felsen durch manuelle Spaltarbeiten in Werksteinblöcke zerteilt und schon an Ort und Stelle zu einfachen Produkten gehauen wurden. Eine Abbildung dieser nur selten fotografisch überlieferten Arbeitslokalitäten veranschaulicht auf hervorragender Weise diese Tätigkeiten der historischen Werksteingewinnung. Diese Betrachtungen leiten zu einem Kapitel über, das die Granitbetriebe bis in unsere Gegenwart darstellt und dabei die maschinentechnische Entwicklung, automatisierte Fertigungstechnologien sowie aktuelle Beispiele in der Architektur und Kunst einbezieht. Hierbei findet auch „der den Stein bearbeitende Mensch“ seine porträthafte Anerkennung. Es folgt ein Kapitel mit sehenswerten Verwendungsbeispielen in Ortschaften und Burgen.

Die Autoren haben nicht nur das steinerne Kulturerbe betrachtet, sondern sich auch den Zwangsarbeitern und ihrem Häftlingsleid während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gewidmet, die hier in einem zwecks Granitabbau eingerichteten Konzentrationslager beschäftigt waren. Eine zwischen 1946 und 1948 aus Granitsteinen der Wachtürme errichtete Sühnekapelle mit dem Namen „Jesus im Kerker“ gibt dem Gedenken einen symbolisch-räumlichen Ausdruck. In der Ortsmitte von Flossenbürg befindet sich ein Denkmal, das an die Toten erinnert, die ihr Leben noch nach der Befreiung aufgrund der Folgen unmenschlicher Arbeits- und Lebensbedingungen verloren. Die Insassen des Konzentrationslagers stammten aus Belgien, Litauen, Polen, der Ukraine, Frankreich und Deutschland.

In den Kapiteln 10 und 11 richtet sich der Blick der Leser auf die Chancen und Angebote des Geotourismus in und um Flossenbürg. Ein Besuch im Burg- und Steinhauermuseum wird geradezu zum „Muss“ für die interessierten Leser. Einige Geotope der Umgebung finden mit Text und Bild ihre Vorstellung. Die Geschichte der Sanierung eines verfallenen Steinhauerhauses hin zu einem Infozentrum, das vom GEOPARK Bayern-Böhmen und der Gemeinde Flossenbürg entwickelt wurde, ist nicht nur ein Beispiel tiefer örtlicher Verbundenheit mit dem Granitabbau, sondern auch ein modellhaftes Projekt für andere Regionen.

Ein Bericht über umfassende geotechnische Arbeiten, die zur Sicherung der denkmalgeschützten und landschaftlich dominanten Burgruine ergriffen werden mussten, beschreibt das Kapitel der Autoren Silvia Beer, Sonja Marek, Jochen Wolf und Kurosch Thuro. Diese Maßnahmen wurden mit ingenieurgeologischen Untersuchungen von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg sowie der Technischen Universität München vorbereitet und begleitet. Das Staatliche Bauamt Bayerns koordinierte diese Arbeiten, in deren Verlauf eine Masterarbeit entstand.

Den Abschluss dieses Werkes bildet ein anschauliches Kapitel über die künstlerischen Arbeiten aus Flossenbürger Granit. Eine sicher nur beispielhafte Nennung von Künstlern und ihrer Werke vermittelt ein Gefühl von der Vielseitigkeit ihres Schaffens und individuellen Beziehungen mit dem und zum Flossenbürger Granit. Dabei wird deutlich, dass sich die künstlerischen Granitarbeiten nicht nur auf Bayern beschränken, sondern eine noch nicht gänzlich fassbare Verbreitung über die Landesgrenzen hinaus gefunden haben.

Schaut man mit respektvollem Abstand resümierend auf dieses facettenreiche Werk, so erscheint es, dass im Verlaufe dieses Buchprojektes kein wesentlicher Blickwinkel unbeachtet blieb. Nach der Lektüre sind sicher die Leser vom Wunsch geleitet, über andere Naturwerksteine weitere vergleichbare Arbeiten in die Hand nehmen zu können.

Für die übersichtliche und typografisch ansprechende Präsentation mit allen erforderlichen technologischen Etappen bis zum fertigen Buch gebührt dem Verlag Eckhard Bodner und Daniela Kleber für das Layout unsere dankende Anerkennung. Ein besonderer Dank ebenso an Andreas Peterek vom GEOPARK Bayern-Böhmen und der Bezirksregierung Oberpfalz für die Akquisition von hier eingeflossenen europäischen Fördermitteln aus dem Fond für regionale Entwicklung (EFRE).