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Rezension

Axel Becker & Willi Wabel (2021):

Vom Tropenriff zum Denkmal.
400 Jahre Schupbacher Marmor


180 S., (Selbstverlag)
ISBN 978-3-00-069065-5


Anne Kött (HLNUG, Wiesbaden)
18. Mai 2022


Vom Tropenriff zum Denkmal – 400 Jahre Schupbacher Marmor.

Dieses großformatige, liebevoll und aufwendig gestaltete Buch beschreibt die Entstehung und Verwendung eines der schönsten und vielfältigsten Denkmalgesteine Deutschlands. Über 400 Jahre war Schupbach eines der Zentren des sogenannten Lahnmarmors mit Exporten in fast alle Kontinente der Erde.

Die Autoren, beide „Schupbacher“, haben jahrelang mit viel Engagement nicht nur zusammen mit Thomas Kirnbauer mehr als 130 Steinbrüche entlang der Lahn kartiert (die meisten davon sind nicht mehr zugänglich), Proben gesammelt und Musterplatten erstellt, sondern auch unzählig viele Archivinformationen, historische Fotos, Pläne und Karten über die Steinbrüche und die daraus hervorgegangenen Kunstwerke zusammengetragen und ausgewertet. Im Laufe der Jahre ist so ein umfangreiches Kataster entstanden.

Nach einem einführenden Kapitel über die Geschichte des Ortes Schupbach sowie die Angabe der Informationsquellen (wie Archive, Fotos, Drucksachen, Zeitzeugen, Karten, Luftaufnahmen sowie geologische Fachliteratur und Forschungsberichte) folgt ein erdgeschichtliches Kapitel über den 380 Millionen Jahre alten mitteldevonischen Riffkalkstein, seine meist an Vulkaninseln gebundene Entstehung, seinen Fossilinhalt und Diagenese. Dieser kommt in drei Hauptkalkzügen innerhalb der Lahnmulde vor und wird aus v.a. aus Stromatoporen als Hauptriffbildner aufgebaut.

Im Folgenden wird die Chronik des Schupbacher Marmors abgehandelt, der schon im Mittelalter gebrochen und v.a. als Altäre und Grabdenkmäler verwendet wurde, seine erste Blütezeit aber erst im Barock erfuhr. Diese hat Wabel bereits in seinem Buch "Form Farbe Glanz - Lahnmarmor im Barock" beschrieben. Im Buch „400 Jahre Schupbacher Marmor“ werden die Anfänge des Abbaus, die Höhen und Tiefen der Marmorgewinnung während der Kriege, die wechselnden Eigentümer bis zum Erliegen der Naturwerksteingewinnung aufgezeigt. Dabei werden auch Steinbrecher, Steinmetze und Bildhauer und deren Werke benannt – ergänzt durch einige Anekdoten aus deren Leben. Selbst Balthasar Neumann war persönlich in Schupbach, um Material für seine Kunstwerke in Würzburg zu sichten.

So wurde Schupbach durch den Marmor in der Welt bekannt und konnte einen gewissen Wohlstand erlangen. In Schupbach wurde deutlich mehr Marmor abgebaut als in Villmar, dass durch das Nationale Geotop „Unica-Steinbruch“ mit der polierten Steinbruchwand und das Lahnmarmor-Museum viel bekannter ist. Villmar hatte auch durch seine Lage direkt an der Lahn deutliche Vorteile in der Verarbeitung durch Wasserkraft (und später Elektrizität) und dem Abtransport. Weil aber der Schupbacher Marmor, besonders der schwarze, sich auch für größere Werke eignete, war er fast 200 Jahre die dominierende Marmorsorte der Region. Allerdings wurde er hauptsächlich für Innenräume verwendet, weil er im Freien durch Säure an Glanz und Farbe verliert.

Der Gewinnung, dem Transport, Verarbeitung und Vermarktung des Schupbacher Marmors ist ein eigenes Kapitel gewidmet, anschaulich dargestellt u.a. mit Hilfe von schematischen Darstellungen wie z. B. der Funktionsweise eines Derickkrans. Historische Fotos erlauben Einblicke über die Arbeitsweisen in den Steinbrüchen sowie den Abtransport der gewonnenen Blöcke, die mit Hilfe von Rutschen und Baumstämmen aus den Brüchen und dann mit Ochsen- und Pferdekarren, der Kerkerbachbahn und später auch mit Lastkraftwagen zu den jeweiligen Bestimmungsorten gebracht wurden. So werden auch die technischen Leistungen früherer Generationen gewürdigt.

Den größten Anteil des Buches nehmen die Beschreibungen aller Marmor-Steinbrüche im Kerkerbachtal und der näheren Umgebung ein, wo sich auf 6 Quadratkilometern 30 Steinbrüche befanden. Ganzseitige Fotos von Musterplatten in Originalgröße zeigen die vielfältigen Gesteinsausprägungen und Farbgebungen der unterschiedlichen Brüche. Diese sind auf die Herkunft in unterschiedlichen Lagen im Riffbereich zurückzuführen. So entstand der berühmte schwarze Marmor im Rückriffbereich, die Farbe ist auf organische Reste in den Kalkablagerungen zurückzuführen. Weitere Farbvarianten der verschiedenen Brüche wurden mit den Handelsnamen „Schupbach Schwarz", „Schupbach Weiß", „Famosa (grau)“, „Rote Kaut", „Goldader“, „Wiedischrosa“ und „Korallenfels“ vermarktet. Viele Fotos von Kunstobjekten und Gebäudeteilen aus Lahnmarmor (z.B. im Dom zu Mainz, Trier, Berlin, Fulda und Würzburg, im Residenzschloss Weilburg und Museum Wiesbaden) vervollständigen das Bild. Die meisten Fotos stammen von Becker und Wabel selbst, die jede Gelegenheit genutzt haben zu Orten zu fahren, an denen Lahnmarmor verbaut wurde.

Das Buch enthält eine umfassende Darstellung der Geschichte des berühmten Denkmalgesteins aus der Lahnregion, seiner Entstehung, Entdeckung, Gewinnung und Verwendung für bedeutende Kunstwerke und Denkmäler - ein Muss für alle Freunde des Lahnmarmors und solche, die es werden wollen!

Besonders lobenswert ist auch das Engagement des Bauunternehmers Ragnar Feickert aus Gaudernbach, der mehrere Steinbrüche im Kerkerbachtal gekauft hat, darunter Goldader, Korallenfels, Famosa „S“ sowie Schupbach Schwarz. Zusammen mit Axel Becker hat er mit viel Leidenschaft und Schweiß auch alte Geräte wiederaufgebaut, um sie zu erhalten und der Öffentlichkeit zugänglich machen. Die Besichtigung der Steinbrüche ist allerdings nur im Rahmen von Führungen möglich, die über das Lahn-Marmor-Museum in Villmar (https://www.lahn-marmor-museum.de) bekanntgegeben werden.

Am Donnerstag, den 16.06.2022 (11 - 17 Uhr) ist Tag der offenen Tür, zu dem Alle herzlich eingeladen sind.



Axel Becker und Ragnar Feickert bei der Einweihung eines GeoPunktes im Nationalen Geopark Westerwald-Lahn-Taunus im Kerkerbachtal. © Anne Kött.
Website des Geoparks: https://geopark-wlt.de. Jetzt aufrufen



Kran und Abbauwand im Steinbruch „Famosa“. © Anne Kött.



Abbauwand im Steinbruch „Korallenfels“. © Anne Kött.







Das hier vorgestellte Buch ist ausschließlich erhältlich über die Weilburger Residenzbuchhandlung. Preis: 25 Euro zzgl. Versandkosten.
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