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Rezension

Gerhard Lehrberger & Margreta Sonnenwald (2021):

Glanz und bunte Vielfalt.
Kulturgeologie der Dekorgesteine barocker Schlösser
und Kirchen in Westböhmen und Oberfranken


Erschienen als
Münchner Geowissenschaftliche Abhandlungen, Reihe B, 24, 368 S.
bei Verlag Dr. Friedrich Pfeil.
ISBN 978-3-89937-257-1


von Angela Ehling, Berlin
30. November 2021


Glanz und bunte Vielfalt. Kulturgeologie der Dekorgesteine barocker Schlösser und Kirchen in Westböhmen und Oberfranken

Das Buch ist ein Schwergewicht in doppelter Hinsicht: haptisch mit 368 Seiten, reich illustriert auf qualitativ gutem Papier und inhaltlich mit einer Fülle von Gesteinen, die in dieser Vielfalt bisher nicht bekannt waren sowie detailreichen Informationen zur Gesteinsbearbeitung im Barock und dem restauratorischen Umgang mit diesen vormals polierten, heute alterierten Oberflächen polychromer Kalksteine.

Den Anlass für die Beschäftigung mit den polychromen, polierfähigen Baugesteinen aus Oberfranken, Böhmen und den im Titel nicht genannten aus Sachsen und Thüringen bot die Restaurierung des Hochaltars der Stiftskirche in Tepla. Diese Gesteine hatten - nicht nur am Hochaltar sondern auch in anderen sakralen und fürstlichen Bauten des Barock in dieser Region - Glanz und Farbigkeit verloren und konnten zunächst nicht einfach und schnell ihrer jeweiligen Provenienz zugeordnet werden. Bei ihren Recherchen stießen die Autoren auf interessante historische Quellen, wie z.B. eine Schrift aus dem Jahre 1787 vom Begründer der Mineralogie und Geologie in Bayern, Mathias von Flurl, über die vorbildliche Einrichtung einer Marmorfabrik in einem Zucht- und Arbeitshaus in St. Georgen bei Bayreuth. Daneben lieferten zahlreiche historische Sammlungen von „Marmor-Plättchen“ in Oberfranken und Thüringen, insbesondere die Longolius-Sammlung von „Marmoren“ aus Hof und Umgebung aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, die sich von Beginn an im Jean-Paul-Gymnasium in Hof befindet, ein buntes und detailreiches Bild der Vielfalt, der Gewinnung und Bearbeitung von Dekorgesteinen im Barock. Dieses Bild wird abgerundet durch die Lebensläufe und das Schaffen der Steinmetz-Meister Josef und Franz Lauermann sowie des Bildhauers Ignaz Franz Platzer in Böhmen.

Das Buch zeugt von der sehr akribischen Bearbeitung der historischen Quellen und Sammlungen. Insbesondere die Dekorstein-Vorkommen in Oberfranken und im Barrandium werden in einer unglaublichen Vielzahl und Vielfalt präsentiert; in Form von Tabellen, ausführlichen Beschreibungen von Vorkommen, Steinbrüchen, Petrographie, Fossilinhalten und Verwendung; alles reich bebildert mit Gesteinsfotos, historischen und aktuellen Ansichten von Steinbrüchen, geologischen Karten sowie historischen Rissen, Zeichnungen und Illustrationen. Gleiches gilt für die vielen Verwendungsbeispiele in den kirchlichen und fürstlichen barocken Bauten, u.a. die barocke Prachtausstattung mit „Bayreuther Marmoren“ im Alten Schloss der Eremitage in Bayreuth.

Der Bearbeitung von Karbonatgesteinen im Barock und Klassizismus wird ein extra Kapitel gewidmet. Der Kenntnisgewinn aus dieser Recherche floss ein in die komplexen und situativ angepassten Verwitterungsuntersuchungen, inklusive der Messungen von Rauheit und Glanz auf den alterierten Gesteinsoberflächen am Hochaltar der Stiftskirche in Tepla sowie im Marmorsaal der Eremitage in Bayreuth. Sie bildeten die Basis für die modellhafte Restaurierung des Hochaltars, welche ausführlich beschrieben wird.

Als wäre das nicht schon Schwergewicht genug, werden ergänzende Kapitel präsentiert. Dazu gehören die Definitionen von Kalkstein und Marmor sowie die ausführliche Beschreibung der Metamorphose von Ersterem in Letzteres. Weitere Kapitel sind dem Altdorfer Kalkstein mit seinen dekorativen Ammoniten aus der Nürnberger Gegend, den polierfähigen Kalksteinen in Ostthüringen, den Marmoren und andere Dekorgesteinen in Sachsen sowie der Repolitur von Buntmarmoren gewidmet.

Als interessierter Steinliebhaber möchte man dieses reich illustrierte und überaus ansprechend gestaltete Buch nicht aus der Hand legen ohne es zu Ende gelesen zu haben. Das kommt bei Fachbüchern nicht häufig vor. Trotz des regionalen Bezugs bietet das Werk viele überregional interessierende Informationen, vor allem hinsichtlich der Gesteinsbearbeitung und -verwendung im Barock sowie zum Umgang mit alterierten, ursprünglich polierten polychromen Kalksteinoberflächen.






Finden Sie diesen Band und die weiteren aus der Reihe der Münchner Geowissenschaftlichen Abhandlungen beim Verlag Dr. Friedrich Pfeil, München.
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