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Objekt des Monats
Januar 2024

Das Johann-Albrecht-Grabmal im Münster Bad Doberan

von Ralf Lehr (Roith)


Das im späten 13. Jahrhundert baulich weitgehend vollendete Doberaner Münster gilt heute als Perle der Backsteingotik. Dieses Attribut bezieht sich auch auf das Innere. Bis ins 20. Jahrhundert diente das Münster auch als Grablege für die mecklenburgische Herzogsfamilie. Jeder der fünf Kapellen des Chorumgangs ist mit einem hochherrschaftlichem Grabdenkmal ausgestattet.

In der südlichen Kapelle befindet sich das Grabdenkmal für Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg (1857-1920) und seiner ersten Gemahlin, Herzogin Elisabeth (1857-1908). Das durch die Buntglasfenster der Kapelle auf das Ziborium des Grabmals einfallende Tageslicht betont die Exotik dieses auffälligen Ausstattungsstücks, macht es aber schwierig, dessen Farbe und die typischen Merkmale des Steins aus der Münsterbesucherperspektive zu erfassen.



Abb. 1: Gesamtansicht des Johann-Albrecht-Grabmals im Doberaner Münster.



Ein Ziborium überdacht üblicherweise einen Altar, in diesem Fall ist es ein Sarkophag. Die Architektur dieses Grabmals erinnert an mittelalterliche Kirchenbauten in Georgien oder Armenien. Über der Vierung erhebt sich ein achtseitiger Bau mit rundbogigen Öffnungen, die mit graugrünen Doppelsäulen versehen sind. Gekrönt wird das Ganze von einer ebenfalls oktogonalen Laterne, die von acht Säulen aus demselben grüngrauen Stein getragen wird. Auf den vier Ecken des Ziboriums sitzen Löwen und Greife. Glasmosaike schmücken die vier Giebelfelder, die Kuppel und die Innenseiten der Bögen. Der Stein des Ziboriums offenbart sich bei näherer Betrachtung als Untersberger Marmor.




Abb. 2: Untersberger Marmor.


In Österreich und Bayern ein sehr verbreitetes Dekorationsgesten, ist Untersberger Marmor im Norden Deutschlands ein echter Exot. In Friedrichsruh im Sachsenwald unweit von Hamburg gibt noch es ein weiteres Beispiel für Untersberger Marmor in Norddeutschland. Warum Deutschlands erster Reichskanzler Otto von Bismarck (1815-1898), der für ein recht gespaltenes Verhältnis zu Österreich und Bayern bekannt ist, hier in einem Sarkophag aus Untersberger Marmor bestattet ist, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden.

Der Entwurf des Mausoleums Bismarcks in Friedrichsruh, sowie der beiden Sarkophage im frühchristlichen Stil (Bauten in und um Ravenna, u.a. Grabmal des Theoderich standen Pate) stammt von Ferdinand Schorbach (1846-1912). Schorbach war gebürtiger Hesse und beruflich zeitlebens in Hannover tätig. Im Zuge der Beisetzung Bismarcks, die medial umfassend kommentiert wurde, wurde auch dem verwendeten Gestein der Sarkophage Beachtung geschenkt. Das könnte für die Wahl des Steins für das Doberaner Ziborium mit ausschlaggebend gewesen sein.



Abb. 3: Der Sarkophag aus Botticino-Kalkstein. Sockel des Sarkophags: Lahnmarmor.


Der vom Ziborium überdachte Sarkophag besteht aus einem etwas dunkleren Kalkstein, der nach seinem Abbauort im Natursteinhandel unter dem Namen Botticino geführt wird. Die Gestaltung des Sarkophags ist den Sarkophagen in der Krypta von Sant’Apollinare in Classe (südöstlich von Ravenna) entlehnt. Auf ihm befinden sich die Wappen beider Adelshäuser. Das Rautenschild mit thüringischen Löwen repräsentiert die Abstammung der Herzogin aus dem sächsisch-weimarischen Hause. Der Sockel, auf dem der Sarkophag ruht, besteht aus Lahnmarmor und stammt dementsprechend aus Deutschland.



Abb. 4: Detail aus dem Sarkophag aus Botticino-Kalkstein.


Für die das Ziborium tragenden Säulen wurden klassische antike Farbmarmore gewählt. Die Kapitelle und Basen sind, wie der Botticino-Kalkstein, italienischer Herkunft. Für die Kapitelle wurde ein gelber Knollenkalk gewählt; für die Basen die rote, im Natursteinhandel als Rosso Verona bezeichnete Varietät. Im alten Rom sehr begehrt, war der auffällige, grüne Stein der vier Säulenschäfte, was diesem in späterer Zeit die Handelsbezeichnung Verde Antico einbrachte. Aufgrund der vielen Kunstwerke aus diesem Material in Thessaloniki, wurde er auch als Thessalischer Marmor bezeichnet. Die Säulen im oktogonalen Vierungsbau und der Laterne sowie an den vier Ecken des Ziboriums, es sind insgesamt 44, bestehen aus Marmor, der aus den französischen Pyrenäen stammt. Im Natursteinhandel trägt er den Namen Vert Campan.



Abb. 5: Kapitell und Base einer der vier Säulen.


Die Basis des Grabmals bildet ein getreppter Sockel aus norwegischem Larvikit.

In die Mauer der Kapelle des Johann-Albrecht-Grabmals sind auf zwei Seiten Steintafeln mit Inschriften aus grauem, Kalkstein aus Öland (Schweden) eingelassen, in welchem zwei der für dieses Gestein typischen Cephalopodenschalen im Anschnitt die Gesteinsbestimmung sehr erleichtern. Eine der angeschnittenen Schalen ist die eines Orthoceras, die andere zeigt typische Merkmal eines Endoceras.

Die Person Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg (1857-1920)

Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg wurde in einer Zeit geboren, als sich die regierenden Herzöge in beiden Teilen Mecklenburgs Großherzöge nennen durften. Zweimal tritt er als Regent in Erscheinung: Das erste Mal, 1897 bis 1901, musste er nach dem Tod seines Bruders, Großherzog Friedrich Franz III. (1851-97), die Regierung als Vormund für seinen noch nicht volljährigen Neffen Friedrich Franz IV. (1882-1945) übernehmen. Die zweite seiner Regierungszeiten begann 1907. Bis 1913 war er als Regent des Herzogtums Braunschweig eingesetzt.

Nach dem Tod Prinz Albrechts von Preußen (geb. 1837) im September 1906 – der per Bundesbeschluss vom 2. November 1885 als Regent des Herzogtums Braunschweig eingesetzt war – wurde Herzog Johann Albrecht im Mai 1907 von der Braunschweiger Landesversammlung zum Regenten des Herzogtums Braunschweig gewählt. Am 5. Juni 1907 übernahm er nach Abstimmung mit Reichskanzler und Kaiser die Regentschaft. Sechs Jahre später, am 1. November 1913, wurde die Regentschaft auf Ernst August von Hannover (III.), Herzog von Braunschweig (1887-1953), übertragen. Dieser hatte ein halbes Jahr zuvor die Tochter Kaiser Wilhelms (1859-1941) geheiratet, womit die Aussöhnung der Häuser Hohenzollern und Hannover besiegelt war und die Zeit der Interimsregentschaften in Braunschweig hinfällig wurde.

Die Planung des Mausoleums

In die Zeit der zweiten Regentschaft Herzog Johann Albrechts fiel der Tod seiner Gemahlin, Herzogin Elisabeth. Sie verstarb nach längerer, schwerer Krankheit. Noch zu ihren Lebzeiten gab es daher erste Überlegungen zum gemeinsamen Grabmal. Wohl auch aufgrund der Tatsache, dass die Ehe kinderlos geblieben war, wurde der Bau eines Mausoleums auf dem Anwesen des Paares in Wiligrad verworfen. Zum Aufstellungsort des Grabdenkmals wurde das Doberaner Münster bestimmt. Das Paar wandte sich bzgl. eines Entwurfs an den in Doberan lebenden Hofbaurat Möckel (1838-1915). Dessen im neugotischen Stil gehaltener Entwurf konnte nicht überzeugen. Auch Überarbeitungen des Entwurfs gefielen dem Paar nicht.

Das Grundkonzept, ein Sarkophag unter einem von Säulen getragenen Baldachin bzw. Ziborium, stand aber schon fest. Herzog Johann Albrecht wandte sich mit der Bitte um Entwürfe an den Braunschweiger Stadtbaurat Ludwig Winter (1843-1930). Von ihn kamen im Februar 1908 vier Entwürfe. Im Sommer des Jahres lud ihn Herzog Johann Albrecht zu sich nach Wiligrad ein, um Modalitäten der Ausführung des Grabdenkmals zu besprechen und eigene Gedanken zum Entwurf mit einfließen zu lassen. Zur Ausführung sollte demnach ein Entwurf kommen, der sich an frühchristlichen Vorbildern orientiert. Der Herzog ist viel und gern gereist, wobei er südliche und exotische Länder bevorzugte (u. a. war er Präsident der Deutschen Kolonialgesellschaft). Die Kunst und Architektur Italiens nahm einen hohen Stellenwert bei ihm ein. Erstmalig hatte er 1879 das Land auf einer mehrmonatigen Studienreise kennengelernt. Als Inspiration für die Gestaltung des Ziboriums diente aber vor allem ein 1897 im Braunschweiger Dom über einem Altar errichtetes Ziborium. Die Pläne hierfür stammten vom herzoglich-braunschweigischen Regierungs- und Baurat Hans Pfeifer (1849-1933).

Das Grabmal wurde schließlich durch den Berliner Steinmetzbetrieb Gebr. Zeidler & P. Wimmel & Co. angefertigt.




Abb. 6: Das Grabmal zum Zeitpunkt der Beisetzung. Bildquelle: wikipedia.org / gemeinfrei.


Die Gesteine

Ziborium
Untersberger Marmor, im Natursteinhandel UNTERSBERG HELL
Abbauort: zwischen Fürstenbrunn und Grödig am Nordhang des Untersbergmassivs, bei Salzburg, Österreich
Beschreibung: dichter, heller Kalkstein, der bis Zentimeter große, helle Fossilbruchstücke und rote Körner, Bauxit (Aluminiumerz), führt und aufgrund der roten Körner umgangssprachlich auch als Forellenstein bezeichnet wird
Entstehungszeit: untere Oberkreide

Säulen und Basen der das Ziborium tragenden Säulen
Veroneser Kalkstein in rot und gelb
Abbauort: lessinische Hügel (Weinanbaugebiet Valpolicella) nördlich Verona, Italien
Beschreibung: Knollenkalk = kalkreicheres, helleres Material in Form von Knollen, das von tonmineralreicherem, dunkleren Mergelkalk umgeben ist, je nach Gehalt an Eisenoxid dunkelrot bis hellgelb
Entstehungszeit: mittlerer Jura (Dogger)

Säulenschäfte der das Ziborium tragenden Säulen
VERDE ANTICO
Abbauort: bei Larissa nordwestlich von Thessaloniki, Griechenland
Beschreibung: durch retrograde Metamorphose von Ophiolith in Serpentinit umgewandelt, im Zuge tektonischer Beanspruchung (wohl erst in der Kreide) zerlegt und der hierdurch entstandene Hohlraum mit, durch feinen Serpentinitabrieb gefärbten, mintgrünen, calcitischem Bindemittel ausgefüllt = Serpentinitbrekzie (Ophicalcite)
Entstehungszeit: oberer Jura (Malm)

Sarkophag
BOTTICINO, auch ANTIKMARMOR BOTTICINO
Abbauort: bei Brescia, nahe des Orts Botticino, Lombardei, Italien
Beschreibung: beigefarbener, mikritischer Kalkstein mit braunen Stylolithen
Entstehungszeit: unterer Jura (Lias)

Sockel des Sarkophags
Lahnmarmor
Abbauort: bei Villmar, Landkreis Limburg-Weilburg, Hessen, Deutschland
Beschreibung: Riff- bzw. Massenkalk mit einem weit gefächerten Farbspektrum und aufgrund tektonischer Beanspruchung vielfältiger Struktur
Entstehungszeit Mittel- bis Oberdevon

Säulen im oberen Bereich des Ziboriums
VERT CAMPAN
Abbauort: in den Pyrenäen, bei Payolle, südöstlich von Campan (Werksteinbearbeitung in Bagneres-de-Bigorre, nordwestlich von Campan)
Beschreibung: Ausgangsgestein ist ein mergeliges Sediment bzw. Sedimentgestein. Im Zuge der Metamorphose kam es zu einer teilweisen Separierung von Calcit und silikatischen Bestandteilen, wodurch VERT CAMPAN hellgrün-graugrün changiert
Entstehungszeit: Oberkreide

Getrepptes Postament des Grabmals
Larvikit
Abbauort: Larvik, an der Südküste Norwegens
Beschreibung: entsprechend der Klassifizierung nach Streckeisen ein Syenit, teilweise auch Monzonit, dominierendes Mineral ist Anorthoklas (Feldspat)
Entstehungszeit: Perm


Alle Fotos (soweit nicht anders angegeben): © Ralf Lehr (Roith)

Letzte Änderung: 19. Januar 2024






Oben: Johann Albrecht von Mecklenburg. Unten: Johann Albrecht mit seiner Ehefrau Elisabeth von Sachsen-Weimar-Eisenach (1907). Bildquelle: gemeinfrei (wikipedia.org)


Objekt:
Johann-Albrecht-Grabmal im Doberaner Münster

Lage:
Kloster Doberan am östlichen Stadtrand von Bad Doberan (Mecklenburg-Vorpommern)

GPS:
54.107778, 11.909722

Entstehungszeit:
1909-1910

Gesteine (Beschreibung siehe unten):
Untersberger Marmor
Botticino classico
Lahnmarmor
Veroneser Marmor rot und gelb
Verde Antico
Vert Campan
Larvikit

Literatur:

MÜLLER, F: (1990 ff.): Internationale Naturstein-Kartei INSK. Ebner Verlag, Ulm.

SCHULTZ, H. (1935): Das Grabmal des Herzog Johann Albrecht und seiner ersten Gemahlin Elisabeth, Prinzessin von Sachsen-Weimar-Eisenach. In: Volkstümlicher Führer durch die Sehenswürdigkeit der Kirche zu Bad Doberan. - Buchdruckerei Albert Lück, Bad Doberan.

THIELE, S. (2015): Die Zisterzienserkirche zu Doberan. - Thomas Helm Verlag, Schwerin.


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