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Objekt des Monats
Mai 2022

Die Hammer Eisenbahnbrücke (Düsseldorf)

von Stephan Marks (Düsseldorf)


Die Bergisch-Märkische Eisenbahngesellschaft hatte zusammen mit der Köln-Mindener Eisenbahn-Gesellschaft und der Rheinischen Eisenbahn-Gesellschaft das Rheinland, Ruhrgebiet und Teile Westfalens für den Eisenbahntransport erschlossen: 1843 war mit dem Bau einer Eisenbahnlinie von Deutz über Düsseldorf, Duisburg nach Minden begonnen worden: die Industrie und Kohlevorkommen des Ruhrgebietes und die Erzvorkommen im Bergischen Land sollten erschlossen werden.

Die Hammer-Brücke war die erste „feste“ Eisenbahn-Rheinbrücke in Düsseldorf, die Neuss und Düsseldorf miteinander verband. Frühere Brücken im Düsseldorfer Stadtgebiet waren sogenannte „fliegende“ Brücken für den Personen- und Warentransport, die für das Passieren von Schiffen oder Flößen in die Rheinmitte ausgeschwommen wurden.

Die Bergisch-Märkische Eisenbahngesellschaft baute nach Plänen des Ingenieurs Pichier mit der Brückenbaugesellschaft Harkort aus (Hagen)-Haspe.

Am 20.11.1868 ereignete sich während der Bauarbeiten eine „fürchterliche Katastrophe“. Im Bereich der Baustelle herrschte „von jeher auf der rechten Rheinseite eine starke Strömung. Nach Fertigstellung der Pfeiler, die mehr oder weniger eine Stauung des Wassers verursachen, hat sich dort … ein wahrer Strudel gebildet.“ Dieses „veranlasste die Eisenbahndirection … das Dampfboot Delphin zum Bugsieren der Schiffe und Flösse aufzustellen. An der Eisenbahnbrücke, welche auf drei Strom- und zwei Landpfeilern mittels vier hoher, in Eisen construierter Bogenaufsätze die Verbindung zweier langen Viaducte über den Rhein herbeiführen soll, waren die beiden Spannungen zwischen den drei linksseitigen Pfeilern fertig. Die zwei anderen, nach Hamm zu gelegenen ruhten auf schweren, hölzernen Baugerüsten, welche sich auf in den Boden des Rheins eingerammte Pfahljoche stützten.“ Schiffe bugsierte das Dampfschiffes Delphin durch das bereits fertiggestellte Brückenteil.




Abb. 1: Düsseldorfer Brückenkopf der Hammer Eisenbahnbrücke (Hammer Seite), vom Neusser Rheinufer aus gesehen.


Am „verhängnisvollen 20. November etwas vor 10 Uhr vormittags (sahen) die auf dem Gerüste beschäftigten Arbeiter ein Schiff in das Fahrwasser auf der rechten Rheinseite geraten und auf die gesperrten Öffnungen der Brücke zutreiben … . Sie machten sofort die Mannschaft des Delphin, welcher gerade die Brücke mit einem Floß im Schlepptau passierte, auf diese Gefahr aufmerksam. Dieser war es jedoch nicht mehr möglich, dem Schiffe … zu Hülfe zu kommen. Von einer ihnen selbst drohenden Gefahr hatten die Arbeiter keine Ahnung, sie drängten sich nach der Brüstung des Gerüstes hin, um das Schiff zu beobachten.“

Mittels Ankerwerfen versuchte der Steuermann sein Schiff, „das mit 15,000 Pfd Eisenstein beladen war“, „zwischen den Oeffnungen der Gerüste hindurchzubringen“ – die Anker „faßten aber nicht. Die auf diesem Schiff befindlichen 5 Personen suchten sich der drohenden Katastrophe zu entziehen. Der Strom, vielleicht auch das verfehlte Ankerwerfen, brachte das Schiff in eine schräge Lage; es prallte gegen die Gerüste und scheint sofort zerteilt worden zu sein. Ein nun vernehmbares Knistern des Holzes, verbunden mit Schwankungen des Oberbaues, rüttelte zuerst die zuschauenden Arbeiter aus ihrer Sorglosigkeit, und es gelang vielen, die steinernen Pfeiler zu erreichen. Dann stürzte das kolossale Gerüst mit den darauf über ein Viertel bereits fertiggestellten, von Harkort in Haspe angefertigten Eisenwerken unter einem furchtbaren Gekrache zusammen, das nur von dem durchdringenden Jammergeschrei von geretteten und verunglückten Personen übertönt wurde, und einen Augenblick später waren die Menschen mitsammt ihrer monatelangen Arbeit den reißenden Fluten des dort ungefähr 27 Fuß tiefen Rheins überantwortet.“ .... „Nach einer amtlichen Bekanntmachung sind 3 Menschen todt geblieben, 11 sind schwer verwundet, 7 nur unwesentlich verletzt, und 11 werden noch vermißt.“

Im Kontext des Brückenbaues ereignete sich ein weiterer Unfall: ein Frachter aus Danzig mit nordischem Kiefernholz - Bauholz für die Strompfeiler - strandete an der Küste Jütlands.

Die erhaltenen zwei Brückeneinfahrtstürme am Düsseldorfer und Neusser Ufer erinnern an die Burgarchitektur mit Zinnen als architektonische Ausschmückung und entsprachen dem Wunsch der Zeit nach einer möglichen militärischen Absicherung der Brücke.

Zur Eröffnung am 24. Juli 1870 erschien die Medaille „König Wilhelms Rhein-Eisenbahnbrücke“ (Vorderseite: Rheinbrücke und Neptun, (Inschrift) König Wilhelms Rhein- Eisenbahnbrücke. Erbaut in den Jahren 1868 – 1870, Rückseite: Wilhelm König von Preussen und Auguste Königin von Preussen).




Abb. 2: Düsseldorfer Brückenkopf mit Rheinischer Basaltlava im Sockel und im Verbindungsbau. Porta-Sandstein im Aufstrebenden der beiden Portaltürme und Solling Sandstein in beiden Türmen.


Die Eröffnungsfeierlichkeiten dieser nach Köln zweiten Eisenbahnbrücke im Rheinland fielen wegen des Truppenaufmarsches zum drohenden Deutsch-Französischen Krieg aus. Am Eröffnungstag fuhr der erste Zug, Militärtransporte Richtung Frankreich, von Düsseldorf nach Neuss - die Eisenbahnbrücke war in das Streckennetz Strecke Berlin-Aachen eingebunden.

In den Jahren 1911-1913 wurde nördlich der bestehenden Brücke im Abstand von 32 Metern parallel ein zweiter Brückenzug errichtet. 1912 wurde die alte stählerne Halbparabelbrücke von 1870 durch eine neue Stahlkonstruktion ersetzt. Diese beiden Zwillingsbrücken mit 8 steinernen mit Zinnen bekrönten Einfahrtstürmen bestanden bis 1945 – sie unterschieden sich nur in ihrem Aussehen. Nach der Sprengung der beiden Eisenbahnüberführungen am 03.03.1945 wurde aus den noch brauchbaren Fachwerkbögen beider Brücken der nördliche Brückenzug wieder aufgebaut.

Der Neubau der heutigen Eisenbahnbrücke wurde 1987 eröffnet, die 1945 instand gesetzte Brücke wurde in Teilen zurückgebaut. Die Brückeneinfahrtstürme stehen heute unter Denkmalschutz.




Abb. 3: Blick über den Neusser Brückenkopf auf den Düsseldorfer Brückenkopf. Rechts daneben die heutige Eisenbahnbrücke.





Abb. 4: Spuren des Kampfes um Düsseldorf zum Ende des II.Weltkrieges im Sollingsandstein.


Die Gesteine

Von den beiden Zwillingsbrücken stehen heute noch die Einfahrtstürme der nördlichen Brücke, sowohl auf Düsseldorfer (Hammer Seite) wie auch Neusser Ufer. Das Fundament der beiden Brückentürme und deren Verbindungsbauwerk besteht auf Düsseldorfer Seite aus Rheinischer Basaltlava. Das aufstrebende Blendmauerwerk aus Quadersteinen ist in Porta-Sandstein, die Türme in Solling-Sandstein, Typ Roter Wesersandstein ausgeführt.


RHEINISCHE BASALTLAVA

Gesteinsart: Rheinische Basaltlava

Alter: Quartär

Vorkommen: in der Osteifel (Raum Mendig – Mayen), Westeifel, im Rheintal

Abbau: Seit Römerzeiten bis heute. Abbau in vielen Steinbrüchen eingestellt: in der West- und Osteifel heute in verschiedenen Steinbrüchen zur Schotterherstellung im Straßenbau, als Zuschlagsmaterial, als Wasserbaustein. Als Werkstein in der Westeifel bei Gerolstein, in der Osteifel im Raum Mendig - Mayen (Maria-Laach).

Beschreibung: je nach Abbauort ein anthrazitschwarzes bis grauschwarzes Gestein, mehr oder weniger porenreiche, oft mit verglasten Einschlüssen, Fragmenten des Grundgebirges, mit Kristallaggregaten aus Pyroxenen und Olivinen. Oft als Basaltsäulen ausgebildet.

Verwendung: Seit Gründung der Stadt Düsseldorf bis heute. Sockelgestein, Boden-, Dachplatten, Treppenstufen, Pflaster-, Bordsteine, Fensterbänke, Denkmale, sakrale Gegenstände. Ausgezeichnet verwitterungsbeständig.




Abb. 5: Sinterartige Gipskarbonat-Bildungen auf der Rheinischen Basaltlava durch austretendes Sickerwasser.


PORTA-SANDSTEIN

Der Porta-Sandstein tritt im Wiehengebirge zwischen den Städten Porta Westfalica und Lübbecke in unterschiedlichen Mächtigkeiten im Kamm des Weser- und Wiehengebirges auf. Im Bereich der Porta Westfalica am Jakobsberg und am Wittekindsberg, dem Weserdurchbruch durch das Wiehen- und Wesergebirge bei Minden, weist die Gesteinsabfolge eine Mächtigkeit von 15 Metern auf.

Etwa 1845 begann an der Porta Westfalica Moses Michelsohn mit dem oberirdischen Abbau des Porta-Sandsteines. 1867 begann hier der unterirdische Abbau des Sandsteines: Die Sandsteingewinnung in Stollen von 70 m Länge, 6,7 m Breite und 12 m Höhe hier lief bis in das Jahr 1895, als das Kaiser-Wilhem-Denkmal oberhalb des Abbaubetriebes angelegt wurde.

Der Transport des Bausteines zur Weser geschah über Abfuhrwege zu einem Sturzhang, wo man die Blöcke zu einem Lager- und Bearbeitungsplatz gleiten ließ. Vorbereitet zum Transport wurden die Steine auf Weserschiffe verladen, oder mit dem Beginn des Eisenbahnzeitalters auch über eine 1865 erbaute Kettenbrücke auf die andere Weserseite zum Bahnhof Porta Westfalica transportiert. Von hier wurde das Material mit Zügen der Köln-Mindener Eisenbahn zu den Einsatzstellen transportiert. Der wahrscheinlich weiteste Transportweg nach Westen ging nach Düsseldorf zur Baustelle der Hammer Eisenbahnbrücke, wahrscheinlich mit Zügen der Köln-Mindener Eisenbahn. Der Porta-Sandstein war im Vergleich zu anderen Bausteinen billig und dauerhaft gegen Witterungs-Einwirkungen.

Gesteinsart: eisenschüssiger Sandstein.

Alter: Jura, Dogger, Unter-Callovium, Herveyi-Zone, Porta-Sandstein, jmPT, 163 Millionen Jahre.

Vorkommen: im Weser- und Wiehengebirges zwischen Porta Westfalica und Lübbecke.

Abbau: in zahlreichen Steinbrüchen auf beiden Seiten der Weser im Kamm des Weser- und Wiehengebirges.

Beschreibung: dickbankiger, massiger, grobkörniger, mittelporiger, z. T. karbonatführender, überwiegend ferritisch gebundener Quarzsandstein mit grauer und brauner Farbe, Färbung durch Eisenoxide, Ton- und Eisenminerale. Eisen-Ooide und Limonit-Körnchen zu erzähnlichen Lagen angereichert. Diese Anreicherungen treten punkt-, linsen- und flaserförmig auf; häufig Eisenschwarten. Grobsandige Struktur.

Verwendung: in Bruchstein-, Quader-, Blendmauwerwerk in Quadersteinen, Treppenstufen, Fußbodenbelag, Wasserbausteine. Dauerhaft gegen Witterungs-Einwirkungen. Verwitterungserscheinungen: Verkrustungen, Absanden, Alveolenbildung.




Abb. 6: Porta-Sandstein im Aufstrebenden des Brückenportals, Hammer Rheinseite.


SOLLINGSANDSTEIN (Typ ROTER WESERSANDSTEIN)

Der Begriff `Wesersandstein´ ist eine Handelsbezeichnung der Sandsteine des Solling, im Gebiet der Weser und der Diemel. Der Wesersandstein wird lithostratigraphisch in den Karlshafener Sandstein (Karlshafen-Schichten) oder Roten Wesersandstein, und den Trendelburger Sandstein oder Grauen Wesersandstein unterschieden.

Gesteinsart: Sandstein

Alter: Trias, Untertrias (Olenekium), oberster Abschnitt des Mittleren Buntsandsteins, Sollig-Formation, Karlshafen-Schichten (smS3), Karlshafener Sandstein oder Roter Wesersandstein: um 247 Millionen Jahre.

Vorkommen: im Solling (Weser-Diemelgebiet), um die Orte Bad Karlshafen und Helmarshausen; Arholzen (Raum Holzminden a.d. Weser)

Abbau: Abbau früher in zahlreichen Steinbrüchen im Raum Bad Karlshafen direkt am Weser- und Diemelufer, Transport - mittels Steinrutschen direkt auf die Lastkähne - über die Weser; ab 1848 auch über die Carlsbahn.

Beschreibung: Sandstein aus fein- mittelkörnigen, gut gerundeten Quarzkörnern, Feldspäte, Plagioklas, Gesteinsbruchstücke. Färbung durch Eisenoxide (u.a. Hämatit und Limonit), mit Schichtungsstrukturen: ein feldspatführender Sandstein, gesteinstypische Verwitterungsbeständigkeit: Absanden, Abschalen.

Verwendung: Bruchstein und Werkstein großer Gebäude (rathauser, Kirchen, Klöster, Stadtbefestigungen), beliebter Baustein der Weserrenaissance, Bodenbelag, Wandplatten, Spaltsteine (Behangplatte) zur Dacheindeckung.




Abb. 7: Turm auf der Hammer Seite im Sollingsandstein.



Abb. 8: Kriegsschäden im Sollingsdst auf Hammer Seite.



Abb. 9: Blick vom Neusser Ufer auf das Düsseldorfer Brückenportal mit Schiffsbetrieb auf dem Rhein.

Anmerkung:
Abbildungen zur Rheinischen Basaltlava sind wegen Graffitis und Hochdruckreinigens nicht besonders aussagekräftig. Der Sollingsandstein ist "zu hoch", um ordentliche Detailaufnahmen machen zu können, zusätzlich durch Rauchgase nachgedunkelt.

Alle Fotos: © Stephan Marks (Düsseldorf)

Letzte Änderung: 28. Mai 2022


Objekt:
Hammer Eisenbahnbrücke

Lage:
Düsseldorf-Hamm
Düsseldorfer Brückenkopf: Am Sandacker
Rheinkilometer 738,3

GPS:
51.209269, 6.732842
(Brückenkopf auf Düsseldorfer Seite)

Entstehungszeit:
1870 (Eröffnung der Brücke)

Baustil:
Burgenromantik

Gesteine und Herkunft:
Rheinische Basaltlava, Vulkan-Eifel, Rheintal
Porta-Sandstein, Porta Westfalica, Minden
Solling-Sandstein: Typ Roter Wesersandstein, Raum Bad Karlshafen

Literatur:

EBEL, R. & EHLING, A. (2012): Der Porta-Sandstein. Geologie, Vorkommen, historischer Abbau und Verwendung. – Geologie und Paläontologie in Westfalen, 82: 5 – 148, 161 Abb., 2 Kt., 7 Tab., Landschaftsverband Westfalen-Lippe, Münster.

ENDMANN, K. (Hrsg.) (1989): Die Hammer Eisenbahnbrücke. Ein Zeugnis des Großbrückenbaus. – 144 S., Hestra Verlag, Darmstadt.

ILLUSTRIERTE ZEITUNG (18. December 1869): Der Unfall an der Bergisch-Märkischen Eisenbahnbrücke bei Hamm. – Nr 1381, Berlin.

WZ (19.10.1989): Geschrei übertönte das Krachen. – Düsseldorf.

GRIMM, W.-D. (2018): Bildatlas wichtiger Denkmalgesteine der Bundesrepublik Deutschland. – Teil 1: Textband (Seiten 1-440), Teil 2 (Seiten 1-536), 2., erw. Aufl., Ebener Ulm Verlag.


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TIPP

Vom Verfasser ist auch ein ausführlicher Natursteinführer durch die Düsseldorfer Altstadt erschienen:

Stephan Marks (2018): Auf der Spur der Natursteine in Düsseldorf - Ein Stadtführer. Was Düsseldorfer Natursteine zu erzählen haben. - 276 S., 269 sw. + Farbabb., 10 Kt., 4 Tab., A5, Selbstverlag.

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