header image

Objekt des Monats
November 2019

Historische Vermessungspunkte der "Königlich Sächsischen Triangulirung"

von Ferdinand Heinz (Dresden)


Im Zeitraum von 1862 bis 1890 errichtete das Königreich Sachsen ein Netz trigonometrischer Festpunkte zum Zwecke einer flächendeckenden Landesvermessung. Beim Aufbau dieser räumlichen Grundlagen schufen die Verantwortlichen trigonometrische Punkte der I. und II. Ordnung.

Die Erkundung der Standorte für die Punkte der I. Ordnung begann 1862 und lag in der Hand des Geodäten Christian August Nagel (1821-1903). Als wichtigste Bedingung für die Standortentscheidungen musste erfüllt sein, dass in alle Richtungen eine freie Sicht möglich war und die Vermarkungen auf einem festen Untergrund angelegt werden konnten. Zur Markierung und als physische Basis des späteren Arbeitens mit optischen Vermessungsinstrumenten sind an fast allen Standorten der I. und II. Ordnung Säulen oder Stelen errichtet worden. Für die Herstellung dieser Objekte kamen häufig landesweit verbreitete Natursteinsorten in Betracht. Zu diesen gehören der Elbsandstein, der Lausitzer Granodiorit und der Rochlitzer Porphyrtuff.

Christian August Nagel vollendete 1890 mit den grundlegenden Vermessungsarbeiten das Netz der trigonometrischen Vermarkungen innerhalb der I. Ordnung. In deren Verlauf waren insgesamt 36 Punkte entstanden und seit 1865 weitere 122 Punkte der II. Ordnung. Aus diesem Gesamtbestand sind bis heute 111 Objekte erhalten geblieben und als technische Denkmale geschützt. Sie tragen die Aufschrift Station mit einer fortlaufenden Nummer und einer Regionalbezeichnung. Spätere Vermessungspunkte der III. Ordnung sollen hier nicht erörtert werden.

Die 158 Einzelobjekte beider Ordnungen sind von unterschiedlichen Formen und Maßen gekennzeichnet. Es kamen runde und quadratische Säulen sowie Obelisken (beispielsweise Station Nr. 147 „Hohenbrand“) aus Naturstein zur Aufstellung. Gefertigt und beschriftet wurden diese durch Steinmetze. Die uneinheitliche Ausführung der Entwürfe und bei der Materialauswahl lässt auf eine Auftragsvergabe an mehrere Steinmetzwerkstätten schließen.

Die meisten dieser Vermarkungen befinden sich auf sächsischem Territorium, nur wenige sind aus geometrischen Gründen auf hoch gelegenen Positionen außerhalb des damaligen Königreichs Sachsen eingerichtet worden. Hierzu zählen die historischen Triangulationspunkte auf dem Döbraberg (Bayern), dem Ochsenkopf (Bayern) sowie auf dem Aschberg (Böhmen) und dem Jeschken (Böhmen).

Obwohl nur wenige dieser trigonometrischen Vermessungspunkte innerhalb geschlossener Ortschaften, ganz im Sinne des thematischen Rahmens „Steine in der Stadt“, errichtet wurden, repräsentieren sie durch ihren Zweck eine übergreifende Funktion. Städte und Siedlungen wurden mit Landschaften zu einem trigonometrischen Netzwerk verknüpft. Das kann daher als Anregung aufgegriffen werden, die auf Natursteinanwendungen gerichteten Blickbeziehungen in den urbanen Zentren auf die zwischen ihnen liegenden ländlichen Gebiete zu erweitern.

Beispiele für Vermessungspunkte in Städten und kleineren Ortschaften sind auffindbar. Im vogtländischen Schöneck liegt der trigonometrische Vermessungspunkt Station 146 Friedrichstein unweit des Rathauses auf einem Felsen innerhalb des Ortsbildes. In Mißlareuth (Gemeinde Weischlitz) wurde der Kirchturm zum Vermessungspunkt Nr. 157 erklärt. Weitere vergleichbare Punkte gab es auf dem Hausmannsturm (Station Nr. 63, Residenzschloss Dresden) und mit der Station 117, die anfänglich auf dem Kirchturm von Hohendorf (Stadt Groitzsch, Nordwestsachsen) untergebracht war.

Als Objekte des Monats werden exemplarisch drei dieser Vermessungspunkte in Westsachsen vorgestellt:

Station 137 Ebersbrunn, errichtet 1878 (südwestlich Zwickau),
Station 155 Sandberg, errichtet 1876 (westlich Pausa),
Station 156 Langenbach, errichtet 1876 (südöstlich Schleiz).


Bei der Materialauswahl für diese drei Säulen hat man sich für Rochlitzer Porphyrtuff entschieden. Ihre Formen und Abmessungen weisen große Ähnlichkeiten auf. Sie wurden aus einem Stück mit unterschiedlicher geometrischer Ausbildung gefertigt. Der runde Säulenschaft mit der Beschriftung geht aus einem im Querschnitt quadratischen Formteil hervor, das sich als Sockel nach oben leicht konisch verjüngt. Dieser Sockelabschnitt ruht im Falle der Station Ebersbrunn auf einem im Erdboden versenkten Fundament aus Rochlitzer Porphyrtuff, das vermutlich mit der Säule verzapft ist. Eine ähnliche Gründung ist auch bei den anderen beiden Säulen wegen der gleichen Ausführung denkbar; sichtbar ist sie durch den natürlichen Verwuchs jedoch nicht. Der obere Säulenabschluss besteht aus einer umlaufenden und runden Abdachung, die sich aufgrund von zwei aufeinander abgestuften Riemchen nach unten verjüngt und dadurch den Anschein eines Kapitells erzeugt.

Der Rochlitzer Porphyrtuff ist seit Anfang des 12. Jahrhunderts als Architekturgestein nachweislich in Nutzung und hat als bedeutendes Konstruktionsmaterial die Baugeschichte im Herrschaftsbereich der sächsischen Kurfürsten vielseitig geprägt.

Die Gründe für die Entscheidung zugunsten des Rochlitzer Porphyrtuffs bei diesen Vermessungssäulen, dessen Gewinnungsort am Rochlitzer Berg in erheblicher Entfernung von den Aufstellungsorten liegt, sind bisher nicht bekannt. Es kann vermutet werden, dass die vorkommenden Gesteine in den Regionen der Säulenstandorte als ungeeignet angesehen wurden. Tatsächlich waren Ende des 19. Jahrhunderts, abgesehen von den westerzgebirgischen Graniten, hier keine anderen Werksteinvorkommen verfügbar, in denen qualitativ gute Rohblöcke von vorteilhaften Dimensionen leicht zu gewinnen gewesen wären. Zudem wäre die Säulenherstellung von diesen Granitlagerstätten und wegen eines höheren bearbeitungstechnischen Aufwandes kostenintensiver ausgefallen. Diese Faktoren sprechen möglicherweise zu Gunsten des unkompliziert beschaffbaren und relativ witterungsbeständigen Natursteins aus der Rochlitzer Gegend.

Im Laufe der Zeit erlitten zwei Säulen Beschädigungen und wurden umgeworfen. Die nach 1990 einsetzende Rückbesinnung auf dieses technische und kulturhistorische Erbe setzte Bemühungen zur Instandsetzung auch dieser Säulen in Gang, wobei bürgerschaftliches Engagement und die Einsatzbereitschaft zu ihrem Erhalt entscheidend beitrugen.


1 / 8
Triangulationssäule 137 Ebersbrunn
2 / 8
Triangulationssäule 137 Ebersbrunn
3 / 8
Triangulationssäule 137 Ebersbrunn
4 / 8
Triangulationssäule 137 Ebersbrunn
5 / 8
Triangulationssäule 155 Sandberg
6 / 8
Triangulationssäule 155 Sandberg
7 / 8
Triangulationssäule 156 Langenbach
8 / 8
Triangulationssäule 156 Langenbach


Alle Bilder © Ferdinand Heinz (Dresden)

Objekt:
Triangulationssäulen der "Königlich Sächsischen Triangulirung"

Lage:
Station 137 Ebersbrunn, errichtet 1878 (südwestlich Zwickau)
GPS: 50.646344, 12.449425

Station 155 Sandberg, errichtet 1876 (westlich Pausa)
GPS: 50.573309, 11.950578

Station 156 Langenbach, errichtet 1876 (südöstlich Schleiz)
GPS:50.534572, 11.878288

Entstehungszeit:
zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts

Baustil:
neoklassisch, dorisch anmutend

Gestein/e:
Rochlitzer Porphyrtuff, Rochlitzer Porphyr

Gesteinsart: Ignimbrit

Alter / Lithologie:
Perm, Rotliegend (ca. 280 Mio. Jahre), Rochlitz-Formation

Herkunft: Rochlitzer Berg

Abbau: aktiv

Literatur:

FISCHER, W. (1969): Abbau und Bearbeitung des Porphyrtuffs auf dem Rochlitzer Berge (Sachsen).- In: Abh. Staatl. Mus. Mineral. Geol. (14): 1-110, Dresden.

HENTSCHEL, G. (Red., 2006): Die Vermessung Sachsens. 200 Jahre Vermessungsverwaltung. Dresden.

PÄLCHEN, W. & WALTER, H. (2008): Geologie von Sachsen. Geologischer Bau und Entwicklungsgeschichte. Stuttgart.

SIEDEL, H. (2006): Sächsische "Porphyrtuffe" aus dem Rotliegend als Baugesteine: Vorkommen und Abbau, Anwendung, Eigenschaften und Verwitterung. Institut für Steinkonservierung e.V., Bericht Nr. 22, Mainz.



TIPP

Eine Karte aller erhaltenen Triangulations-Säulen finden Sie auf OpenStreetMap for Wikimedia hier.

Lagekarte





Archiv

hier öffnen